Schweizer Nachtzüge nach Rom und Barcelona? Der Zwischenstand
Wann kommen die Schweizer Verbindungen nach Rom oder Barcelona endlich, die Nachtzug-Fans seit Jahren fordern und nicht erwarten können? In den letzten Monaten hat sich hier einiges dazu bewegt. Dieser Blogbeitrag gibt dazu eine Übersicht.
Nachtzüge sind in der Schweiz ein Politikum. Linke und Grüne sehen in ihnen einen wichtigen Schritt zur nachhaltigen Mobilitätswende: weg vom Flugzeug zu mehr umweltfreundlichem Slow Travel. Bürgerliche Parteien rechts der Mitte hingegen zweifeln die Effizienz der Massnahme an. Hier findest du eine Übersicht über den aktuellen Stand der politischen Debatte und der Umsetzung.
Wie geht's 2025 weiter?
Diese Frage zu beantworten gleicht einem Blick in die Kristallkugel.
Weder wissen wir, wie weit die SBB und die ÖBB mit der Planung der Strecken nach Barcelona und Rom sind. Das (fehlende) Rollmaterial dürfte dabei eine gewichtige Rolle spielen – ein Problem, unter dem aktuell die ganze Nachtzugbranche ächzt. Aber es gibt auch weitere Herausforderungen (darunter u.a. zerstrittene Bahngesellschaften im Ausland). Dieser Thread auf Bluesky gibt dazu einen spannenden Einblick.
Noch wissen wir, wie die Schweizer Regierung auf die «Budgetempfehlung» des Parlaments reagieren wird. Wird sie Nachtzug-Subventionen entgegen allem politischen Druck streichen? Oder wird sie sich durch Petitionen und Beschwerden von Stakeholdern im öffentlichen Verkehr sogar zur Umkehr bewegen lassen und zurück zu den jährlichen 30 Millionen Subventionen kehren?
Dass bereits 2025 neue Nachtzüge rollen, ist wohl eher unwahrscheinlich. Der politische Wille scheint dafür nicht deutlich genug zu sein, und ohne Investitionssicherheit halten sich auch die Bahnunternehmen zurück.
Vielleicht klappt's ab 2026. Dann zumindest sollen in der Schweiz gemäss mehreren Quellen Nightjets der neuen Generation zum Einsatz kommen.
Letzter Stand Ende 2024: 10 statt 30 Millionen und ein starkes Signal aus der Bevölkerung
In der Wintersession des Parlaments findet während der Budgetdebatte ein sprichwörtliches Ping-Pong-Spiel statt. Der Nationalrat (die grosse Kammer) fordert den Bundesrat auf, auf die Kreditsperre für die 30 Millionen zu verzichten. Der Ständerat (kleine Kammer) will davon nichts wissen und an der Sperre festhalten.
Die zuständige Ministerin (Karin Keller-Sutter, FDP) lässt während der Debatte verlauten, die SBB seien ohnehin noch nicht so weit, Nachtzüge anzubieten: «Es liegen heute keine Gesuche vor, die besagten Finanzmittel von 30 Millionen Franken werden 2025 daher nicht eingesetzt werden können.» Deswegen ergebe eine Finanzierung bereits im Jahr 2025 keinen Sinn. Quellen für diese Behauptung liefert sie hingegen keine. Und der Verband öffentlicher Verkehr kontert in den Medien: Selbstverständlich gebe es keine Gesuche, solange die Finanzierung politisch auf so wackligen Beinen steht.
Schlussendlich einigen sich die beiden Kammern auf eine Beschränkung der Subventionen auf 10 Millionen Franken pro Jahr. Das bleibt vorerst aber nichts mehr als eine Empfehlung an die Regierung.
Ungefähr zeitgleich mit dem Ende der Wintersession reichen die Grünen eine Online-Petition mit knapp 60'000 Unterschriften für höhere Nachtzug-Subventionen ein.
Der Knall: Bundesrat will Gelder für Nachtzüge (erneut) streichen
Im September 2024 macht dann plötzlich die Befürchtung die Runde, dass der Bundesrat die durch das Parlament beschlossenen 30 Millionen Franken Subventionen doch wieder streichen will. Dies, obwohl laut Medienberichten die Pläne der SBB «weit fortgeschritten» seien.
Die Argumente gemäss einer Recherche des Tages-Anzeigers: Man müsse sparen, die Finanzierung sei nicht langfristig gesichert und eine Stop-and-Go-Subventionierung sei nicht zielführend. Gegen die Pläne regt sich bis in die Mitte viel politischer Widerstand. Von einer «Missachtung des Parlaments» ist die Rede, Vorstösse werden lanciert.
Im November 2024 lässt dann eine Meldung der ÖBB aufhorchen. Es scheint, als würden sich die österreichischen Partner der Schweizer Bundesbahnen aus dem Unterfangen zurückziehen wollen, bis die Finanzierung geregelt ist. Die SBB hingegen gehen kommunikativ auf Tauchstation.
Frühling 2024: Parlament sagt Ja zu Nachtzügen
Nach dem Abstimmungs-Schiffbruch der Vorversion beschliesst das Parlament in der Frühlingssession eine entschärfte Variante des CO2-Gesetzes. Diese sieht eine Subventionierung von «grenzüberschreitendem Personenverkehr», namentlich Nachtzüge, von 30 Millionen Schweizer Franken vor und tritt per 1.1.2025 in Kraft. Die Tür für neue Verbindungen bereits ab 2025 steht also wieder ein Stück weit offen.
2021: Volk lehnt CO2-Gesetz ab und verunmöglicht fürs erste Nachtzug-Subventionen
Bürgerliche Parteien ergreifen das Referendum gegen das neue CO2-Gesetz, das Subventionen für Nachtzüge beinhaltet hätte. Die Vorlage scheitert vor dem Volk, die Klimafonds-Gelder sollen nicht fliessen. Damit bleiben zusätzliche Nachtzug-Linien vorerst ein Traum, und die Umsetzung sieht so schlecht aus wie schon lange nicht mehr. Gleichzeitig gibt es bereits politische Vorstösse, um die Finanzierung doch noch zu retten.
2020: Zum ersten Mal wird wieder über Nachtzüge gesprochen
Mit viel Enthusiasmus kündigen SBB und ÖBB ein neues gemeinsames Projekt an. Im Jahr 2024 sollen insgesamt zehn Nachtzuglinien satte 25 Destinationen anfahren. Schon bald sollen also auch wieder Nachtzüge von Zürich und Bern nach Rom und Barcelona rollen. Dazu sollen Gelder aus dem Klimafonds, der vom Parlament als Teil des CO2-Gesetzes angedacht wurde, verwendet werden.
Während die Linie nach Amsterdam mit dem Fahrplanwechsel 2021/22 bereits Realität wurde, sieht es bei den südlichen Destinationen anders aus.
Ende 2012: Der letzte Nachtzug fährt nach Barcelona
Gar nicht mal so lange her, nämlich am 7. Dezember 2012, verlässt der vorerst letzte Nachtzug nach Spanien den Zürcher Hauptbahnhof. Die Neue Zürcher Zeitung vom 6.12.12 schreibt, die stark sinkende Nachfrage und erhöhte Sicherheitsrichtlinien an das Rollmaterial und damit verbundene Investitionen hätten zum Aus für die Verbindung beigetragen.
Der Nachtzug der Marke Talgo verfügte über Ruhesessel und drei verschiedene Komfortklassen von Schlafabteilen, aber keine Liegewagen.